Sonntag, 18. Juni 2017

Fett gehupt, richtig fett gehupt

Brönner und Ilg dringen zur DNA des Jazz vor

Es war anders als von den meisten erwartet, aber es war großartig. Am Sonnabend gastierten Till Brönner und Dieter Ilg bei den Kreuzgangkonzerten in Walkenried und sie zeigten, was den Jazz ausmacht: Der Dialog gleichberechtigter Partner. Damit bewies der Trompeter, der gelegentlich unter dem Etikett "Schmusejazzer" firmiert, dass er auch Ernst kann und das sogar richtig gut.

Der eine steht in den Charts, der andere in den Lehrbüchern. Till Brönner und Dieter Ilg sind  zwei recht unterschiedliche Seiten ein und derselben Musik. Während der eine die großen Hallen  füllt, ist der andere doch eher dem Fachpublikum bekannt. Dennoch prägt Ilg seit Jahrzehnten den europäischen Jazz und hat Maßstäbe in der Behandlung des Kontrabasses gesetzt.

Till Brönner hupt ganz schön fett.      Foto: tok
Sie als Antipoden zu bezeichnen, wäre übertrieben, aber diese Kombination verspricht eine produktive Spannung. Daher ist umso schöner, dass sich beide gelegentlich zur kleinsten Band der Welt zusammenfinden. Brönner wird im Laufe des Abends erklären, dass man Klavier oder Gitarre nicht braucht. Harmonieinstrumente würden einfach überschätzt, so seine steile These.

Reduktion auf das nötigste lautet der Anspruch an sich selbst und den erfüllen Brönner und Ilg. Der Bass erfüllt immer zwei Funktionen. Er ist zugleich Rhythmus- als auch Soloinstrument. Dieter Ilg kann das und zwar mühelos. Nicht ein einziges Mal wirkt der Meister angestrengt und uncool.

Mit Kuscheln ist nicht viel bei diesem Konzert. Schon mit dem Opener "Will of Nature" legt das Duo ein hohes Tempo vor. Es ist die Bebop-Version seines typischen Brönner-Songs. Ilg baut am Bass die Basis, auf der Brönner seine Melodie-Linien ablegt. Er setzt gleich drei Klasse-Soli in die weite Runde des Kreuzgangs. "Fett gehupt" nennt der Jazz-Slang solch einen Vorgang.

Im Dialog mit der Trompeter zeigt Ilg dann, dass auch der Kontrabass eine Soloinstrument ist. Im seinen Händen setzt das sperrige Instrument überraschend filigraneTöne. Ilg deutet an, was sonst noch so möglich ist mit vier Saiten und macht damit Lust auf Mehr. Er wird noch viel Raum bekommen an diesen Abend. Dieses Duo ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe.

Cool oder konzentriert? 
Peng! Nun kommt das Kontrastprogramm. Die schrille Trompete schreit an der Grenze der Atonalität, um dann wieder in den Dialog mit den Bass einzutreten. Ilg leitet die Free Jazz-Anwandlungen seines Kompagnons in geordnete Bahnen. Aus dem Tonsalat schält sich ein Rhythmus und irgendwann swingt "Peng! Peng!" sogar richtig. Den Schlusspunkt setzt Brönner mit drei spitzen Tönen. Selbst für das ungewohnte kann sich das Publikum an diesem Abend begeistern.

Blues, Bebop, Swing, Cool oder Free Jazz. Brönner und Ilg fechten keinen akademischen Streit darüber aus, welche Spielart den nun der einzig wahre Jazz sei. Sie zeigen musikalische Zusammenhänge auf und machen Geistesverwandtschaften deutlich. Deswegen macht auch ein Volkslied wie "Es, es, es" ins Programm und die Suite BWV 1068 von Johann Sebastian Bach ins Programm.

Während der Bach und seine Air on the G-String in der Zugabe dann doch als barockes Schmusestück abgeliefert wird, kommt das Lied der Wandergesellen doch verdammt cool daher. Brönner setzt weiche Töne, die er ausklingen und wirken lässt. Mehr Reduktion ist nicht möglich . Mit dem Kunstgriff der Loopmaschine tritt die Trompete dann in den Dialog mit sich selbst ein und und das Publikum lauscht gebannt.

Für manche ist es ein Jazzstandard, für die Till Brönner verkörpert "Bod & Soul" einfach die DNA dieser Musik. Erst hat die Solo-Trompete den Blues und erinnert an die Ursprünge des Jazz, dann lässt es Brönner richtig swingen und erinnert an die Ära, die für manche die goldene sein mag. Nun setzt der Bass ein.

Es bleibt die Erkenntnis, dass Einsamkeit immer eine große Triebfeder war, um Gefühle in diese Art von Musik zu verpacken. "Body & Soul" endet in einem spitzen Aufschrei der Trompete und das Publikum macht "Puuuhhh!"

Manchmal braucht es einen Dämpfer.
Jazz als Kunstform gibt es an diesem Abend auch noch. In "Fith of Beethoven" versuchte Ornette Coleman den Rückgriff auf die Klassiker europäischer Musik. Auf den ersten Blick laufen die Klangfragmente Trompete und des Basses immer wieder gegeneinander und kontrastieren sich. Doch er gibt immer wieder kurze Momente des Einklangs, präzise gesetzt.

Dieser Song ist für Dieter Ilg wohl eine Herzensangelegenheit. Der bis dahin so coole Bassist geht aus sich heraus. Hätte Jiimi Hendrix einen Bass gehabt, er hätte ihn wohl so gespielt wie Ilg in diesen Momenten.

Till Brönner ist ein guter Entertainer und neben vielen Anekdoten erzählt er auch die Entstehungsgeschichte von "Café ou pão". Dann zeigt er, dass er auch ein passabler Sänger ist. Dass Boss Nova und Jazz Verwandte im Geiste sind, ist keine neue Erkenntnis. Sie noch einmal aus der Trompete von Till Brönner zu hören, ist trotzdem schön.

Ein Jazzabend ohne Charlie Parker kann nicht komplett sein. "Au private" steht an und das Konzert startete mit Bebop und Bebop ist dann auch der Schlusspunkt. Wieder legt Ilg die Basis, auf der Brönner dann fantasieren kann und doch finden sie immer wieder zueinander. Deswegen ist Jazz die Musik der Freiheit. Auf einer gemeinsamen Grundlage kann jeder machen, was er will und trotzdem bleibt man vereint.  



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