Freitag, 8. Juli 2016

Ein Musical für große Jungs und Mädels

Jede Menge Mantel, Degen und Pop bei den Domfestspielen

Wer monumentale Musicals mit Massenszenen, schmachtende Frauen und echten Männern mag, der wird bei dieser Produktion bestens bedient. Opulente Kostüme, klare Fronten und ein rasantes Tempo kennzeichnen "Die drei Musketiere". Das Versprechen, jede Menge Mantel, Degen und Pop zu liefern, haben Craig Simmons und Heiko Lippmann auf jeden Fall eingehalten.

Die Geschichte dürfte bekannt sein. Tölpel aus der Provinz zieht in die große Stadt, um seinen Traum zu verwirklichen, verliebt sich, macht die Bekanntschaft mit drei seltsamen Zeitgenossen, die seine Freunde werden, gemeinsam besteht man große Abenteuer, besiegt die Bösen, rettet nebenbei das Königreich und das Leben der Königin. Einziger Wermutstropfen: Seine Liebste  muss mit ihrem Leben dafür bezahlen. Das einzige was Bestand hat, ist die echte Männerfreundschaft.

Im Gegensatz zu den zahlreichen Mantel-Degen-Schinken, die immer wieder über die Mattscheibe flimmern, haben sich Rob und Ferdi Bolland mit ihrer Version stark an die Vorlage von Alexandre Dumas. Zu den zahlreichen Anekdoten und Kleingeschichten taucht nur ein neuer Erzählstrang auf. Es geht auch um das Vater-Sohn-Verhältnis der d'Ártagnans, um Heldenverehrung und Ablösung. Damit passt das Musical bestens in das diesjährige Festspielmotto "Erwachsen werden".

Bei allen aduleszenten Ambitionen ist es ein Musical für Männer, die kleine Jungs geblieben sind, und für ihre Herzensdamen, die irgendwie immer noch die Prinzessinnen vergangener Tage sind. Da ist es gut, dass Regisseur Craig Simmons die zahlreichen Fäden in der Hand behält und damit einen ansehlichem Musical-Musselin webt. Seine Inszenierung bleibt trotz der zahlreichen Anforderung klar strukturiert, überschaubar, leicht und luftig.

Bei der Umsetzung dieses Vorhabens  kann er auf Merlin Fargel bauen. Der Domfestspiel-Neuling kann die verschiedenen  Anforderungen bestens umsetzen. Er wird vom kleinen Provinztölpel glaubhaft zum Anführer einer entschlossenen Boygroup. Das Potential hat er allemal und für jede Situation die passenden Antwort. Eben noch Tolpatsch, dann Hau-Drauf und schon ganz zärtlich, sogar die Liebesszenen mit Franziska Schuster in der Rolle der Constance gelingen ihm bestens. Franziska Schuster weiß vor allem durch ihre enorme Stimme mit ein eindrucksvollen Dynamik zu überzeugen.

Doch die Aufführung wird von zwei anderen Personen dominiert. Ron Holzschuh in der Rolle des Kardinal Richelieu ist wohl der beste Ekelpaket, das die Stiftskirche in den letzten drei Jahren gesehen hat. So einen möchte man bestimmt nicht zum Nachbarn haben.

Mit breiter Brust schreitet er daher, der Mann, der die Geschicke des Königreiches lenkt. Klar und deutlich ist seine Aussprache. Hier wird nicht gefragt, hier werden Befehl erteilt. Süßholz raspeln ist nicht sein Metier, selbst die Drohungen kommen wie aus der Muskete geschossen daher. Dieser Mann hat eine Mission: er muss das Reich und die Religion retten. Ron Holzschuh traut man das nach dieser Inszenierung durchaus zu. Man weiß nie so recht, ob er ein Mann der Kirche oder doch der Leibhaftige ist. Holzschuh macht deutlich, dass es im religösen Wahn durchaus Berührungspunkte der Antipoden gibt.

Die zweite starke Rolle hat Franziska Becker als Lady De Winter. Im Vergleich dazu ist der Kardinal eindimensional. De Winter ist Täterin und Opfer zugleich. Unschuldig wegen Hurerei angeklagt und verurteilt, gerät sie zwischen die Mühlstein der Politik, auch ihre Beziehung zu Athos scheitert. Um sich reinzuwaschen, lässt sie sich auf einen Pakt mit dem Teufel in Gestalt des Kardinals ein.

Franziska Becker gelingt es auf vielfältige und beeindruckende Weise, diese beide Seiten darzustellen. Sie ist die Intrigantin und Mörderin, unglückliche Verliebte, Verführte und Verführerin zugleich. Auch ihre Soli gehören musikalisch zu den Glanzpunkten des Musicals. Doch die stärkste Nummer ist das Duett mit Udo Eickelmann in der Rolle des ehemaligen Geliebten Athos. Schon dessen Solo "Engel aus Kristall" sorgte im ersten Drittel für Gänsehaut-Momente.

Auf jeden Fall hat dieses Musical jede Menge Tempo. Es wird flott gesungen, gekalauert, getanzt und gefochten. Soviel blanken Stahl gab es wohl bisher noch nie auf der Gandersheimer Bühne. Christian Ewald hat ganze Arbeit geleistet. In Sachen Schaukampf müssen die Gandersheimer den Vergleich mit den film- und Fernseh-Musketieren nicht scheuen, zumal Ewald in seine Choreographie auch den einen oder anderen Seitenhieb eingebaut hat. Auf alle Fälle halten die Fechtszenen das rasante Tempo hoch.

Auch wenn die Balladen für die Aha-Momente sorgen, so ist das Musical doch eher im Highspeed-Bereich angesiedelt. Pop und Rock, aber auch ein Prise Jazz und Blues ergeben eine internationale Mischung. Die Band unter Leitung von Heiko Lippmann verletzt niemals das Primat des Gesangs as Handlungsträger. So verabschiedet sich Lippmann mit einer überzeugenden Leistung von den Domfestspielen. Er geht mit Christian Doll nach Schwäbisch Hall.

Das Bühnenbild von Kati Kolb leistet gerade dem Kardinal gute Dienste. Seine beiden Emporen bieten Holzschuh immer wieder die Möglichkeit, seine vermeintlich überlegene Position zur Schau zustellen. Die beiden Türmen versinnbildlichen zudem den Graben zwischen Kirche und König.

Die 58. Spielzeit der Domfestspiele sind von drei Musicals geprägt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Es gibt was für die Seele und was für die Lachmuskeln. Aber "Die drei Musketiere" ist eindeutig etwas für Männer, die kleine Jungs geblieben sind, und für Herzensdamen, die immer noch Prinzessinnen sind. Für die Musketiere gilt: Hingehen, anschauen, anhören und mitträumen. Insgesamt gesehen ist das doch eine funktionierende Arbeitsteilung.



Der Spielplan der Domfestspiele
Die drei Musketiere in der Selbstdarstellung

Die drei Musketiere bei wikipedia

Die anderen Musicals der 58. Spielzeit

Die Comedian Harmonists
Highway to Hellas







   

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