Sonntag, 28. Juni 2015

Schöner Sterben

Werkgetreue Carmen-Premiere eröffnet die Thüringer Schlossfestspiele

Liebe Leserinnen und Leser, sie können es ruhig zugeben. Seit Kati Witts goldgekrönten Auftritt in Calgary haben sie eine feste Vorstellung davon, wie Bizets Carmen zu verstehen ist. Temperamentvoll und schnell und zu Schluß wird dekorativ gestorben. Diese Erwartungen erfüllt die Inszenierung von Alfonso Romero Mora gänzlich. Damit erlebten die Schlossfestspiele am Freitag eine passenden Auftakt.

Die Uraufführung galt 1875 als Skandal. Dem Pariser Publikum war die Oper um die laszive Zigeunerin viel zu naturalistisch. Not, Elend, Verführung, Verbrechen und Verderben, das wollte damals niemand auf einer Oper-Bühne sehen und hören. Dennoch wurde das Werk zum erfolgreichsten Musiktheater der Welt.

Carmen ist der Mittelpunkt der Opernwelt.
Alle Fotos: Tillman Graner
Das liegt natürlich auch an der Musik von Georges Bizet. Der Franzose schaffte es die Exotik des spanischen Südens und die Musik der Roma und Sinti mit der Spätromantik zu verbinden. Der Zauber Andalusiens war auf einmal in den mitteleuropäischen Konzertsälen angekommen. Vielleicht ist Georges Bizet ja der Erfinder der Weltmusik. Die Kategorie Gassenhauer musste für "L'amour est un oiseau rebelle" und für "Toréador, en garde" erst erfunden werden.

Dieses musikalische Erbe setzt das Loh-Orchester unter der Leitung von Markus Frank detailgetreu fort.  Es hält sich zurück, wo Zurückhaltung geboten ist und es entwickelt Dynamik, wenn die Geschichte an Fahrt aufnimmt. Deutlich wird dies eindrucksvoll im 1. Akt bei der Revolte vor der Zigarrenfabrik.

Die Fährte der werktreuen Interpretation legte aber Alfonso Romero Mora. Er sieht sich dem Naturalismus Bizet verpflichtet. Die Kostümierung macht deutlich, dass wir uns an diesen Abend im späten 19. Jahrhundert befinden. Die Militärs tragen den Soldatenrock mit Säbel und Micaela, die Unschuld vom Lande, ist in hochgeschlossenen Rüschenkleid gewandet.

Don José ist dieser Frau hoff-
nungslos ausgeliefert.  
Dabei ist Carmen auch ein Stück über sexuelle Selbstbestimmung und über den Ausbruch aus traditionellen Rollen. Der muss natürlich im 19. Jahrhundert mit dem Theatertode bestraft werden. Aber 140 Jahr später könnte man diese Themen anders aufbereiten. Alfonso Romero Mora hat sich für eine herkömmliche Interpretation entschieden und das Premierenpublikum ist ihm dafür dankbar.

Gebrochen wird die traditionelle Aufführung durch das Bühnenbild. Ein überdimensionaler Frauenschuh als Showtreppe und eine beflügelte Stuhlpyramide bringen einen Hauch Dali, der aber unmotiviert wird. Mit dem Carmen-Motiv beschäftigte sich der spanische Surrealist erst 100 Jahre nach Bizets Uraufführung.

Erfrischend wirkt der Einsatz des Kinderchors. Noch vor der ersten Arie spiegelt hier Mora die kommende Geschichte mit kindlicher Naivität. Das erzeugt Vorfreude und Spannung.

Im Vergleich zur literarischen Vorlage von Prosper Merimeé ist die Oper schon weichgespült. Alles läuft auf Carmens Tod als Sühne für die fortschreitende Grenzüberschreitung hinaus. Die Oper konzentriert auf die Titelheldin. Sie ist die treibende Kraft. Mit Sarah Hudarew ist Mora hier eine glänzende Besetzung gelungen. Sie besitzt soviel Präsenz, dass sie eindeutig die Nummer eins in der Arena ist. Dazu hat ihr Mezzosopran an diesem Abend ein leichtes Timbre und eine Färbung, die den dunklen Abgrund hinter der Figur ahnen lassen.

Grujić und Schlecht (vorne) sind die Überraschung
des Premierenabends. 
So ist ihr Markus Francke als Don José ausgeliefert. Brav singt der Tenor seinen Part ohne Fehl und Tadel. Aber da ist nicht ein Funken von "Halb zog sie ihn, halb sank er hin", seine leichte und unbekümmerte Stimme steht für den ahnungslosen Jungen aus der baskischen Provinz.. Mora und Francke interpretieren Don José als Opfer einer Domina.

Die Überraschungen dieses verstecken sich in den Nebenrollen. Franz Xaver Schlecht nutzt die wenigen Auftritte als Leutnant Morales und lässt seinem energiegeladen Tenor freien Lauf. Der Soran von Tijana Grujić in der Rolle der Micaela steht dem in Nichts nach. Das Duett der beiden gehört zu den Höhepunkten der Premiere. Man kann nur wünschen, dass Grujić und Schlecht in Sondershausen oder auch in Nordhausen  häufiger zum Einsatz kommen.


Die Thüringer Schlossfestspiele in Sonderhausen
Die Inszenierung

Carmen - Die Oper
Carmen - Die Novelle 

Die Novelle auf der Bühne des DT Göttingen

Freitag, 26. Juni 2015

Liebt, wie es euch gefällt

Komödie von Shakespeare zur offiziellen Eröffnung

Mit der Premiere von "Wie es euch gefällt" eröffnete Christian Doll am Donnerstag die 57. Domfestspiele nun auch offiziell. Seine Inszenierung ist eine spröde Schönheit, deren Reize im Laufe des Abends deutlich werden. Am Ende der Vorstellung belohnt das Publikum die überzeugende Leistung des gesamten Ensembles mit "standing ovations".

Der Einstieg ist verhalten. Einsam sitzt Orlando vor einem imaginären Klavier und mimt dne Klaviervirtuosen. Sein Lied ist das Klagelied des Hinterbliebenen, des um sein Erbteil Betrogenen. Doch die Zeit des Klagens soll vorbei sein, er will sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und fordert den Teil der Welt, der ihm zusteht. Wahrscheinlich gibt es im Gandersheimer Ensemble niemanden, der diesen Rollenwechsel besser verkörpern könnte als Moritz Fleiter. In den letzten Jahren war er in Gandersheim immer auf Kinder- und Familienstücke abonniert. In dieser Inszenierung zeigt er nun, dass er auch das ernste Fach beherrscht, ohne in Trübsinn zu versinken. Fleiter bringt genug jugendlichen Schwung mit, um das furiose Finale glaubwürdig zu gestalten.

Die nächste Szene zeigt Rosalinde und Celia im Spannungsfeld zweier Cousinen. Mit Zuneigung und Ablehnung, Solidarität und Konkurrenz hat die Inszenierung hier eine lebensnahe Erfahrung aufgegriffen und verarbeitet. Julia Friede und Alice Hanimyan bewältigen die Herausforderung des Wechselspiel im Minutentakt bestens und glaubwürdig.

Anfangs macht Orlando große Augen. 

Alle Fotos: tok
Überhaupt ist Julia Friede in der Rolle der Rosalinde das Zentralgestirn in dieser Inszenierung. Aus dem männlichen Ränkespiel macht sie ein starkes Frauenstück. In jeden Augenblick beweist sie Präsenz und beherrscht die Bühne. Sie bestätigt den den großartigen Eindruck, den sie im letzten Jahr als Giacinta in "Sommerfrische" hinterlassen hatte.

Das erste Aufeinandertreffen von Rosalinde und Orlando ist der Dreh- und Angelpunkt. Der Moment der Halskette als Faustpfand wird in vier Variationen gespielt, mit immer denselben Worten. Auch später taucht dieses Motiv immer wieder auf. Es scheint, als ob an dieser Stelle die Zeit stillsteht und die Welt dem Atem anhält. Es ist der magische Moment der ersten, der ganz großen Liebe.

Doch, Rosalinde und Orlando, das ist die unschuldige Liebe zweier altkluger Pennäler. Dies bildet den deutlichen Kontrast zu den Machenschaften des Frederik,und des Oliver. Der eine hat sich der sich zum Herzog emporgeputscht, seinen Vorgänger und dessen Gefolge ins Exil trieb, der betrog seinen Bruder Orlando um den Erbteil und will ihn nun ans Messer liefern. Christian Alexander Müller kann die Niedertracht des neuen Herzogs wunderbar herausarbeiten. Schleichender Schritt, eingezogene Schulter, aber eiskalt in der Sprache.

Die Machtspiele bestimmen die ersten dreißig Minuten der Inszenierung. Chrisitan Doll macht deutlich, dass dies, was als lustiges Schäferspielchen daherkommt, doch einen tödlichen Hintergrund hat. Es gibt für den städtischen Adel schon handfeste Gründe, in die vermeintliche Idylle des Waldes zu fliehen. Diese Betonung ist die Basis der Gandersheimer Inszenierung.

Es ist auch ein Stück von Stadt gegen Land. Dreißig Minuten lang gibt es einen Soundtrack zum urbanen Leben. Die Aufführung ist mit Trip-Hop im Stile von Massive Attack. Kaum verlagert sich das Spiel in den Wald, herrscht Stille. Tanz und Vergnügen sind offensichtlich vorbei.Nach gebremsten Anfang entblättert diese Inszenierung ihren Zauber, eben wie ein Wein, der atmen muss.

Noch ist Rosalinde im Stadtmodus.
Nirgends wird dies Deutlich als an der Person des vertriebenen Herzogs. Gunter Heun stellt ihn als einen Meister des Schönredens dar. Mit Verve und exaltiert preist er die Vorzüge des Landlebens, will er das Exil als Kuraufenthalt verstanden wissen. Mit den bekannten großen Gesten, fester Stimme und mit seiner enormen Präsenz kann Gunter Heun der Rolle es Exilanten einige Seiten abgewinnen.

Christian Doll und Florian Götz haben hier die Vorlage auf die Höhe der Zeit gebracht. Die beißende Satire in der Grill-Szene springt ins Auge. Man darf als Publikum auch mal über sich selbst lachen. Dieses Recht machen sie auch bei den Auftritten des Eremiten Jaques geltend. Vom Ankläger des Unrechts in dieser Welt wandelt er sich in Minutenschnelle zum Zyniker. Die berühmte Ode über die Welt als Bühne, ein zentrales Motiv im Shakespeareschen Original, intoniert Sebastian Strehler mit soviel Liedermacher-Appeal, das einem gleich vier bis fünf aktuelle Zeitgenossen in den Sinn kommen.

Überhaupt ist jeder Rolle stimmig besetzt und es sind manchmal die kleinen Momente, die vor Längen befahren. Julia Lißl verkörpert in der Doppelrolle als Amiens und als La Belle den intriganten Höfling wunderbar. Aber es ist auch der Abend von Christine Dorner. Ihre Närrin Probstein ist erst wortgewandt und lenkend und hinterher liebesblind. Der Klamauk der verhinderten Sex-Szene ist an der richtige Stelle platziert.

Die Vorlage ist mehr als 400 Jahre alt.  Wie viele Werke Shakespeares zeichnet sie sich durch Sprachgewandheit und eine ureigene Melodik aus. Die Übersetzung ins Hochdeutsch bietet aber die Chance, ein Update durchzuführen und neue Akzente zu setzen. Die Gandersheimer Aufführung nutzt diese Chance. Das Nebeneinander von eingedeutschten Original und postmoderner Sprache macht deutlich, dass der Shakespeare und sein Themen immer noch etwas zu sagen haben.

Kurz vor  dem happy End verbreitet Oliver
noch Angst und Schrecken. 
Ob Shakespeare der Erfinder des Themas "Frau spielt Mann, der eine Frau spielt" ist, das ist nicht überliefert.  Billy Wilder und andere haben es immer wieder aufgegriffen. Im Zentrum des Finales steht die aktuelle Frage der sexuellen Identität. Rosalinde gibt die passende Antwort. Ob nun Mann und Frau, Mann und Mann oder Frau und Frau. "Liebt, wie es euch gefällt."

Ob Shakespeare der Erfinder des Themas "Frau spielt Mann, der eine Frau spielt" ist, das ist nicht überliefert.  Billy Wilder und andere haben es immer wieder aufgegriffen. Im Zentrum des Finales steht die aktuelle Frage der sexuellen Identität. Rosalinde spielt diese Häutung mehrfach durch, entpuppt sich als Mann, wird als dieser anerkannt und wird wandelt sich wieder zur Frau. Es ist schön anzusehen, wie Julia Fried bei der Ankunft im Wald unbeholfen versucht, männliches Gebaren zu imitieren. Im Final gibt sie auf alle Geschlechtsfragen die passende Antwort. Ob nun Mann und Frau, Mann und Mann oder Frau und Frau. "Liebt, wie es euch gefällt."

Das Bühnenbild wird dominiert vom Bauzaun. Er trennt die Stadt vom Wald, er ist die Grenze, die es zu überwinden gilt, aber er ist auch ein Schutzwall mit vielen Schlupflöchern. Mit dem Auftrennen des Bauzauns durch Oliver und Frederik dringt aber die Realität in die Schäferidylle ein, in der sich die Exilanten zwischenzeitlich eingerichtet hatten. Mit dem Bühnenbild ist Cornelia Brey ein großer Wurf gelungen. Der Zaun ist kein Hindernis, seine vielen Türen und Tore ermöglichen die schnellen Auftritte und Abgänge, die einer Shakespeareschen  Komödie das typische Tempo verleihen. Aber erhalten blieben auch das Shakespeare-typische Motiv “Helden verstecken sich hinter Gewächs, lauschen den Bösen und leiten damit die Wende ein”, hier aber mit einem deutlichen Augenzwinkern.

Im Finale steckt jede Menge Tempo, soviel, dass der Text etwas leidet, wenn Rosalinde ihr Weisheit über das Wesen der Frau an das Publikum bringen will. Oder ist es die Atemlosigkeit eines schwerverliebten Teenagers, das Sprechtempo von youtube und anderen Plattformen? Das mehrheitlich erwachsene Publikum überstand zum guten Ende auch diesen Ansturm. Der Applaus macht deutlich dass sie die Aufforderung, “Liebt, wie es auch gefällt” ernst genommen haben.

Die Domfestspiele
Das Stück

Die Sommerfrische 2014

Donnerstag, 25. Juni 2015

Der Charme des Unperfekten

Der Theaterjugendclub ging mit den Papierpiraten auf große Fahrt

Der härteste aller Kritiker und sein schreibender Vater waren wieder auf Reise. Sie führte nach Nordhausen ins Theater unterm Dach. Die Junioren des Theaterjugendclubs hat zur Premier der Papierpiraten eingeladen.

Mit dem Soundtrack aus dem "Fluch der Karibik" begann die letzte Inszenierung des Theaterjugendclubs in dieser Saison pompös. Aber die großen Erwartungen werden gleich wieder gebrochen, weil in der Bühnenmitte ein Schattenspiel der robusten Art abläuft.

Es ist dieser Zauber des Selbstgemachten, des Unperfekten, den den Charme der "Papierpiraten" ausmacht. Dadurch wirkt die Produktion authentisch, wirkt wie ein kindliches Spiel auf dem Dachboden. Aber erst zum Inhalt:

Capt'n McUnheil ist der furchterregende Piratenkapitän, der die schöne Clara entführen ließ. Clara zieht gemeinsam mit dem Schiffsjungen Tim den schiffsbrüchigen Klaas aus dem Wasser. Schiffskoch Pierre, Klaas und McUnheil sind alte Freunde, doch ein dunkles Geheimnis lastet auf ihrer Freundschaft. Die Meerjungfrau Diana könnte Licht in das Dunkel bringen, doch sie ist mindestens genauso verwirrt wie der weise Mann an Bord. Zudem läuft im Hintergrund noch eine Verschwörung.

Freundschaft und Meuterei und Säbelkämpfe, das
Stück hat 
alles, was Piraten brauchen. Foto: red
Da gibt es Freundschaft und Meuterei, die große Liebe und das Mobbing und eine Mutter, die noch über den Tod hinaus für die Tochter sorgt. Also, eigentlich alles, was eine Seeräubergeschichte in den letzten 150 Jahren so ausmacht. Aufgelöst haben Bianca Sue Henne und Daniela Zinner die herrlich überladene Handlung in einzelne Stationen. Auch das jüngere Publikum kann die Szenen problemlos in den Zusammenhang einordnen.

Dabei bedienen sie sich vieler Mittel: Slapstick, Säbelkämpfe und Schattenspiele, Solo-Gesang und Tanz, einer Stimme aus dem Off und mit einem weisen alten Mann, Ukulele und Seemannslieder, Wortwitz und Ironie. Weil Seejunge Tim dann auch noch die Schüchternheit überwindet, ist es auch ein Mutmacherstück, eben ein Mutmacherstück mit 2 Overhead-Projektore. Einzig die Tanzszene mit dem schwankenden Schiff, die war dem härtesten aller Kritiker zu lang. "Da hätte man kürzen können", urteilte Tammo klar.

Das Premierenpublikum bedankte sich mit Szenenapplaus und echten Lachern für die eigenen Entführung auf eine hochromantische Reise in die Phantasie. Happy End inklusive und der Bösewicht bekommt auch sein Fett weg.

Ach, so der Titel. Das Falten von Papierschiffen spielt eine entscheidende Rolle und sechs Papierbahnen dienen als Projektionsfläche für die Schattenspiele. Aufgespannt wie Segel erweitern sie das Bühnenbild in die Vertikale.

Zum Abschluss gab es am Sonntag noch die Welturaufführung der Sonate für 14 Tageszeitungen in 4c im Berliner Format. Schade, dass der Spielplan nur 3 Vorstellungen vorsah. Der Harzer Kritiker und der härteste aller Kritiker wünschen dem Theaterjugendclub allzeit gute Fahrt und immer einer Handbreit Wasser unterm Kiel.

Der Theaterjugendclub
Die Papierpiraten


Der härteste aller Kritiker - Teil eins
Der härteste aller Kritiker - Teil zwei
Der härteste aller Kritiker - Teil drei
Der härteste aller Kritiker - Teil vier
Der härteste aller Kritiker - Teil fünf
Der härteste aller Kritiker - Teil sechs
Der härteste aller Kritiker - Teil sieben
Der härteste aller Kritiker - Teil acht

Sonntag, 21. Juni 2015

Ein Märchen, das wirklich rockt

Das Familienstück “EselHundKatzeHahn” eröffnete am Samstag die Domfestspiele

Bei dieser Inszenierung steppen sogar die Hühner. Mit dem Ausreißerstück “EselHundeKatzeHahn” startete am Samstag der Spielbetrieb bei den 57. Domfestspielen und alle hatten ihre Spaß dabei. Sogar der härteste aller Kritiker. Auch er stimmte in den donnernden Applaus mit ein.

Der härteste aller Kritiker? Eine kurze Anmerkung: Der härteste aller Kritiker ist 9 Jahre alt, theateraffin, theatererprobt und gelegentlich altklug. Von Zeit zu Zeit begleitet er seinen schreibenden Vater, wenn es um ein fachkundiges Urteil zum Kinder- und Jugendtheater geht. Seit dem gestiefelten Kater 2013 ist er bekennender Fan der Gandersheimer Domfestspiel und am Samstag ist diese Zuneigung weiter gewachsen. “Das ist das beste Stück, dass ich hier bisher gesehen”, ordnete er die Inszenierung in seinen Erfahrungsschatz ein.

Der härteste aller Kritiker in seinem Lieblings-
theater. Alle Fotos: tok
Mit “EselHundKatzeHahn” war ein Ausreißerstück nach den “Bremer Stadtmusikanten” der Brüder Grimm angekündigt. Doch die Eigenproduktion erzählt kein Märchen im stylishen Gewand. Regisseurin Nina Pichler und Dramaturgin Jennifer Traum  zeigen eine freie Interpretation der Ausgangslage, wie sie auch die Grimms vorgefunden haben. Vier Tiere wollen aus einer misslichen Situatin fliehen und machen sich auf in deas gelobte Land, das Bremen heißt. Ob nun so rum oder so rum. Zum Schluss kommen die Grimms und die Gandersheimer auf den gemeinsamen Nenner und der heißt: Happy End im Waldhaus. Wie heißt es doch so schön "Und wenn sie nicht gestorben sind, …. "

Ja, wenn sie nicht gestorben sind. Das Thema “Was besseres als den Tod findest du überall” durchzieht die Vorlage. Bei den Grimm ist es das Handlungsmotiv. Für “EselHundKatzeHahn” ist die Flucht aber keine lebensverlängernde Maßnahme. Sie müssen nicht die Schlachtbank fürchten. Es geht ihnen um die Verwirklichung eines Traums. Sie wollen auf die großen Bühnen dieser Welt und die stehen wohl in Bremen.

Damit ordnet sich das Ausreißerstück bestens in das diesjährige Motto ein. “Mit dir will ich träumen” lautet die Überschrift der 57. Domfestspielen. Doch auch in diesem Stück muss mancher zum Träumen erst überredet werden. Wenn dann aber der Traum nicht verwirklicht wird, weil sich andere traumhafte Konstellationen ergeben, dann ist das auch nicht so schlimm. Vielleicht ist dies die Quintessenz von “EselHundKatzeHahn”. Der härteste aller Kritiker hat es jedenfalls so verstanden.

Aber nun zur Überschrift. Warum rockt dieses Märchen wirklich? Weil es keine Märchenaufführung ist, sondern ein Musical. Auch in diesem Jahr ist die Hamburger Band “Tante Polly” wieder dabei. Wie schon beim Gestiefelten Kater 2013 verleiht die freche Musik dem Familienstück den richtigen Schwung, den entscheidenden Drive. Band-Mitglied Dominik Dittrich und Festspielintendant Christian Doll haben das Märchen zum Ausreißerstück umgedichtet und umgetextet, Nina Pichler und Kim Winkler haben eine sagenhafte Inszenierung daraus gemacht und die Ausstattung von Sandra Becker setzt dem Ganzen die Krone auf. So könnte man die Erfolgsformel dieses Familienstücks beschreiben.

Auch Theateresel sind störrisch.
Doll und Dittrich haben als Autoren etwas gemacht, was schon lange überfällig war. Sie haben den Märchenstoff mit alten Volks- und Kinderliedern neu kombiniert und komponiert. Doch dieses Liedmaterial verbleibt nicht im Klampfen-Modus. Da wird gejazzt, geswingt, gebluest und gerockt und manchmal schimmert auch die gute alte Polka durch. Der Chor der Müllergesellen zum Volkslied von der klappernden Mühle, das ist Musical pur. Auch beim Chor der Jagdgesellschaft auf Pirsch schimmert der Broadway durch. Aber alles ist ein schlüssiges Konzept eingepasst. Der Mitklatsch-Reiz ist entsprechend hoch und zur Halbzeit der Premiere kann das Publikum diesem Reiz nicht mehr widerstehen. “EselHundKatzeHahn” rocken halt wirklich.

Wie bei jedem guten Theaterwerk gibt es zwei Lesarten. Da ist die kindliche Lesart, die sich an schneller Erzählweise, skurrilen Einfällen und bunten Bildern erfreut. Dazu gehören bestimmt die steppenden Hühner und auch Daniel Ris und Christine Dorner als Gangster Rapper mit Goldketten und mit Max & Moritz-Frisuren.

Die Autoren arbeiten mit den Versatzstücken der Märchenwelt, Frosch und Prinzess inklusive, und mit den Bausteinen der Pop-Kultur. Sie arbeiten mit den Erwartungen ihres kindlichen und erwachsenen Publikums. Aber es macht auch Spaß, zu sehen und zu hören, wie diese Erwartungen gebrochen werden.

Es sind diese dutzende Zitaten und Ideen, die dennoch alle zusammenpassen, die für das hohe Tempo sorgen und die dafür sorgen, dass die Stadtmusikanten abgestaubt werden. Das ist keine tote Märchengeschichte, die auf der Bühne vor der Stiftskirche gespielt wird. Das ist eine Geschichte, die zu allen Zeiten und auch im Hier und Jetzt spielt.

Chor und Choreographie haben Musicalqualitäten.
Mit ihrem Ausreißerstück vervollständigen Doll und Dittrich die Märchenvorlage und holen sie auf den Boden der Tatsachen. Während die Handlung bei den Grimms im luftleeren Raum hängt, entwirft das Gandersheimer Duo einen ganzen Kosmos. Wir lernen den Müller und seine Frau kennen und erfahren, dass er Angst vor den Räubern hat, die seine schöne Uhr stehlen wollen.

Wir werfen einen Blick auf den Hühnerhof, auf dem der Hahn groß geworden ist und nie akzeptiert wurde und lernen seine Mutterhenne kennen. Sie muss sich eingestehen, dass sie wohl ein Kuckucksei ausgebrütet hat. Wir erfahren, warum der einst stolze Jagdhund nun ein trostloses Leben als Wachhund führen muss. Er hat die Regeln verletzt und wurde verstoßen.

Ach ja, in einem guten Märchen darf natürlich der Frosch nicht fehlen. Deswegen erfinden Doll und Dittrich noch einen Froschkönig dazu, der aber nicht an der Wand landet. “Den Frosch, den fand ich am coolsten”, beurteilt der härteste aller Kritiker die neue Figur.

Das ist zweite Lesart dieser Inszenierung, die für die Erwachsenen. Deshalb trägt “EselHundKatzeHahn” die Bezeichnung Familienstück zurecht. Es geht nicht nur um Unterhaltung, es geht auch um die Geschichte hinter der Unterhaltung.

Die wandelbare Christine Dorner versteht es, in vier Nebenrollen Akzente zu setzen. Doch die Premiere wird von zwei Darstellern bestimmt. Julia Friede als Hund in Knickerbocker vermittelt den Eindruck von Tim und Struppi in einer Person. Voller Ideale und Tatendrang ist sie die treibende Kraft, die aber selbst dazu überredet werden muss, die eigenen Träume zu leben. “EselHundKatzeHahn” sind keine eindimensionalen Helden, es sind Figuren, die auch mal an sich zweifeln dürfen und deswegen so echt wirken.

Julia Friede (r.) ist Tim und Struppi in einer
Person.
Das gilt wohl für Luise Schubert als Katze im Amy-Winehouse-Look. Anfangs nur auf Ruhe und warmen Ofen bedacht, macht sie sich auf die Suche nach ihrem Märchenprinz. Zum guten Schluss findet sie ihn auch, aber eben am nassen und kalten Froschteich. Man muss seine Vorstellungen eben auch mal anpassen.

Die andere tragende Figur ist Moritz Fleiter als Hahn, der eigentlich ein Kuckuck ist. Er ist auf der Suche nach seiner Identität und als er sie endlich gefunden hat, da schießt er zum Teil auch über das Ziel hinaus. Solche Tiere, äh Menschen, kennt wohl jeder. Schön, dass Moritz Fleiter die Androhung einer Domfestspiel-Pause immer noch nicht wahr gemacht hat.

Ein weiterer Pluspunkt in der Inszenierung von Nina Pichler sind die Ausstattung von Sandra Becker. Mit wenigen Mittel und auf das Nötigste reduziert schafft das Bühnenbild einerseits den passenden Hintergrund für die wechselnden Szenen, auf der anderen Seite lässt es genug Raum für die eigenen Vorstellungen und Bilder von Mühle, Hühnerhof oder Räuberwald.

Unabhängig von der Lesart ist “EselHundKatzeHahn” ein Vergnügen für alle. Die Inszenierung verzaubert und überzeugt mit Rasanz, Musik und mit geschätzten 102 überraschenden Ideen. Die 750 Zuschauer bedanken sich bei der Premiere mit minutenlangen Applaus und eselsmäßigen Getrampel.

Die Website der Domfestspiele

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Montag, 15. Juni 2015

Kunst statt Musik

Das David Orlowsky Trio im Kreuzgang

"Klezmer Kings" heißt das aktuelle Programm des David Orlowsky (DOT) und es soll ein Hommage an die Männer sein, die in der 1920-er Jahren in den USA den Klezmer wieder revitalisierten. Das DOT wollte nicht die alten Werke nachspielen, sondern das historische Material selbst revitalisieren.

Florian Dohrmann fand Freude am Spiel.
Alle Fotos: tok
Es fängt verheißungsvoll an. Der Bass von Florian Dohrmann wummert, dann setzt die näselnde Klarinette von David Orlowsky ein. Sie imitiert die Singstimme eines getragenen Liedes. Der typische Klezmer-Klang ist da und weil Tempo und Volumen sich ständig steigern, ist stellt sich die Vorfreude auf eine schwunghaften Abend ein.

Doch bereits nach 1 Minute 30 ist der Zauber verflogen. Abrupt bremsen Orlowsky und Dohrmann ab und nehmen eine andere Abfahrt. Die Musik gerät in ruhigere Gewässer, deutlich ruhiger und vor allem seichter.
In sich selbst versunken improvisiert David Orlowsky über das knappe Thema. Der Klezmer wird zum Jazz. Damit ist das Schema für den Rest des Abends vorgegeben. Die akustische Picknick-Decke ist ausgebreitet und bedeckt den Klezmer.

James Joyce schuf einst den Stream of Consciousness, Andreas Vollenweider gab den Stream of Beschallung dazu und das DOT machte den Stream of Self-Reflection daraus. Ein Stück geht in das andere über, die Grenzen sind fließend, auch zwischen den Genres. Denn es ist jede Menge Pat-Metheny-Jazz-Attitüde in der Mixtur des Theaters. Am deutlichsten wird dies bei der Hommage an Dave Tarras. Dessen Gypsy, Sam's Freilach und Yemenite Dance gehen nathlos ineinander über, Anfang und Ende verschwinden, der Dialog Bass-Klarinette scheint endlos.

Die Konturen verschwinden und die Stücke werden auswechselbar. Vollenweider lässt grüßen. Gelegentlich darf sich Jens-Uwe Popp an der Gitarre zu Wort melden und einen Schuss spanische Klassik hinzugeben und einen Kontrapunkt setzen.

David Orlowsky ist in die Musik versunken. 
Klezmer war die Musik der aschkenasischen Juden, eine Volksmusik, in der Osteuropa und Orient verschmolzen. Schnell, laut und schrill. Hochzeitsfeiern waren der bevorzugte Auftrittsort für die Klezmorim. Ihre Musik war Tanzmusik, war ein Freudenfest, ein Hommage an das Leben, eben schnell, laut und schrill wie das Leben selbst. Der Fachmann unterscheidet 8 Liedformen, die alle mit Tänzen verbunden war.

Von diesem Erbe ist beim DOT wenig geblieben, selbst, wenn sie einen Tanz spielen. Die Klarinette übernimmt die Melodieführung, das bleibt als Regress auf die Vergangenheit. Doch die Lebensfreude schaut nur selten um die Ecke. Es sind eher drei Musiker, die auf höchsten Niveau über Klezmer-inspirierte Themen improvisieren. Statt Lebensfreude geht es hier um Innerlichkeit. Aber die Fortführung der Tradition ist auch nicht der Anspruch von David Orlowsky und seinen Mitmusikern. Es geht um Weiterentwicklung und Verschmelzung und viele Rückgriffe auf den Jazz. Sie machen keinen Klezmer, sondern Chamber.World.Music. Weltmusik in der Kammerversion.

Was dabei herauskommt ist die Akademisierung einer Volksmusik, die deutlich an Würze, an Schärfe und an Ironie verliert. Sinnbildlich ist hier "Kum aher Du Filozof" von Vevl Zbrazher. Die laute Festmusik ist im stillen Kämmerlein gelandet und der Philosophie nur ein Nachdenker, der die Welt bestimmt nicht verändern wird. Schade nur, dass Yablokoffs "Papirosn" genau so todtraurig kland.

Das kann man mögen, man muss es aber nicht. Der Purist ärgert sich über die Irreführung, das Publikum ist begeistert.



Die DOT-Homepage
DOT bei wikipedia

Die Kreuzgangkonzerte



Sonntag, 7. Juni 2015

“Dem lieben Herrgott auf die Werkbank kacken”

Dirk Schäfer und das “Trio Total” eröffneten die 57. Domfestspiele

Intendant Christian Doll machte am Samstagabend aus seiner Schwärmerei für Dirk Schäfer und seine Musiker keinen Hehl. Aber die 650 Besucher des Eröffnungskonzert der 57. Gandersheimer Domfestspiele taten dies am Ende des Abends. Mit donnernden Applaus und purer Begeisterung wurden die vier Musiker nach dem zweistündigen Auftritt verabschiedet.

Unter dem Titel “TangO. Und Edith Piaf” waren Tango und Chansons abgekündigt. Zwei Musikrichtungen, die mancher gern in der Schublade “Abgehakt und besser vergessen” ablegen. Doch Dirk Schäfer und seine Mitstreiter sind seit vielen Jahren mit dieser Kombination erfolgreich unterwegs. Erst im letzten Jahr konnte der Schauspieler aus Kiel mit seinem Jacques-Brel-Programm auf den Stufen der Stiftskirche begeistern.

Große Gefühle und große Instrumente standen auf der
Bühne. Alle Fotos: tok 
Was ist also das Geheimnis seines Erfolgs? Es ist die einzigartige Kombination aus Musik und Schauspiel. Dirk Schäfer singt nicht, er inszeniert die Lieder. Es sind nicht die Sangeskünste des gelernten Mimen, die für donnernden Applaus sorgen. Es ist die Intensität und es sind die expressiven Gefühle, die er auf die Bühne bringt.

Die Gandersheimer Bühne war am Samstag dekoriert wie eine Spelunke irgendwo dort draußen in Fantasien. Zwei Tische, ein paar Stühle, einer angelehnt wie zur Sperrstunde. Ein Flasche Schnaps steht herum. Später wird Schäfer diese Flasche Theaterschnaps mit großer Geste leeren. Eine Federboa hängt an der Garderobe, zwei Kronleuchter verbreiten einen Hauch von Ballsaal. Die Bühne ist bereit für eine zweistündige Reise durch die Niederungen des Lebens, entlang der Randbereiche der bürgerlichen Existenz.

Dirk Schäfer singt nicht. Er erzählt Geschichte, aber eben mit Musik. Das Programm hat eine lose Rahmenhandlung. Der Tango “Wer ist wer” steht am Anfang und am Ende. Gleich zum Auftakt stellen Dirk Schäfer und das Trio Total ihre gescheiterten Helden. Da ist Juan, der Gigolo, und Cocoliche, der traurigste Clown der Welt. Später kommen noch Säufer und Nutten dazu. Die Rummelmusik macht deutlich, dass das Publikum einen Blick auf ein verwegenes Panoptikum werfen darf.

Karsten Schnack und das Akkordeon bereiten den

Klangteppich für die Traurigkeit.
Dirk Schäfer singt nicht. Er erzählt Geschichten von Liebe und Sehnsucht, von Enttäuschungen und Konflikten und von erneutem Hoffen und wiederholtem Scheitern. Das macht er mit großen Gesten und mit einer durchdachten Choreographie. Alles ist durchdacht. “TangO.UndPiaf” ist ein Gesamtkunstwerk. Ein Konzept, dass mitreißt.

Somit  ist es kein Konzert zur Eröffnung der Domfestspiele. Es ist eher eine theatralische Singung. Aber diesen Begriff “Theatralische Singung” gibt es nicht, also ist es eben doch ein Konzert am diesem Samstagabend vor der Stiftskirche, aber ein ganz  besonderes.

Dirk Schäfer schafft es, in den 3 Minuten 30 eines Liedes, einen ganzen Kosmos zu entwerfen und komplette Biografien zu vermitteln. Diese Kunst ist selten geworden und vielleicht ist dies ein Grund, für den großen Erfolg und für die Begeisterung, die diese Kunst weckt. Tango und Chanson sind für manchen ein Anachronismus, aber in Zeiten designeter Lebensläufe wirken Schäfers große Gefühle und existentielle Erfahrungen wie ein belebendes Überbleibsel aus der Vergangenheit. Dirk Schäfer erzählt Geschichten ohne Moral in einer moralisierenden Gegenwart. Das macht den größten Reiz dieses Programms aus und dafür bedankt sich das Publikum.

Die Grenzen zwischen den Genres verfließen an dem Abend. Der Tango geht in den Chanson über wird wieder zum Tango. Ein Hauch von Blues weht eigentlich durch das weite Runde und abgeschmeckt wird die Mischung mit einer ordentlichen Portion Gypsy Swing. Zur Mitte des Konzerts kommen Ingo Hirsekorn, Wolfgang Nehrlich und Karsten Schnack auch mal ohne Sänger aus. Dann dürfen sie jammen und swingen, da bricht sich die Lebensfreude Bann und das Publikum wippt mit den Füßen und einigen schnippen sogar mit den Fingern. Das Leben ist eben nicht nur ein Tal der Tränen.

Manchmal kann Wolfgang Nerlich ohneSonnenbrille Basser spielen.
Natürlich erfüllt das Trio Total auch die Erwartungen des Publikum. Schäfer spielt gekommen damit und es gelingt ihm mit direkter Ansprache immer wieder, das Auditorium in seine Geschichten hineinzuziehen. Die Geige von Ingo Hirsekorn wimmert und das näselnde Akkordeon von Karsten Schnack bereitet der Traurigkeit einen guten Nährboden.

Doch das Programm ist nicht das Abspulen allseits bekannten Materials. Schäfer hat die Lieder übersetzt und zum Teil umgetextet. Er gibt ihnen mehr als eine neue Nuance. Dabei scheut sich Schäfer auch nicht vor klaren Formulierungen und deftigen Wort. Da darf der Heimwerker dem lieben Herrgott ruhig auch mal auf die Werkbank kacken.

Dirk Schäfer und sein Ensemble spielen eben mit den Erwartungen ihrer Zuhörer und brechen sie auch. Man muss schon zweimal hinhören, um die Originale zu erkennen und beim Piaf-Klassiker “Milord”dauert es auch eine ganze Reihe von Takten, bis das Publikum den Ohrwurm erkennt. Das Tempo ist gebrochen und verschleppt und fügt damit der bekannten Vorlage eine neue Sichtweise hinzu. Die Kunstpause als Mittel der Dramatik beherrscht Dirk Schäfer wohl wie kein zweiter seines Faches aus Schauspiel und Gesang.

Der neue “Milord” wird mit Getrampel, Gejohle und standing Ovations quittiert. Sollte es bis dahin Vorbehalte gegeben haben, so hat sie der donnernde Applaus vertrieben. Der zweite Teil des Abend ist bald schon ein musikalischer Triumphzug. Erst nach drei Zugaben dürfen Dirk Schäfer und das Trio Total die Arena verlassen. Es bleibt zu hoffen, dass sie bald wiederkehren, mit welchem Programm auch immer.

Das Trio Total
Dirk Schäfer Homepage

Das Interview  zum Konzert

Die Website der Gandersheimer Domfestspiele
Das Konzert 2014