Mittwoch, 19. Februar 2014

Die Zimmerschlacht ist ein Stellvertreterkrieg

Das hoftheater spielt Zwei-Personen-Stück von Walser


Das hoftheater kann nicht nur Komödie. Mit "Die Zimmerschlacht" hat sich das Ensemble auf ein Experiment eingelassen, dass vollständig aufgeht. Mit intensiven Spiel legen Petra Döring-Menzel und Dieter Menzel den Nerv in Martin Walsers erfolgreichstem Drama frei.
Die Zimmerschlacht ist ein Stellvertreterkrieg. Das Zimmer gehört Felix und Kristina, seit 24 Jahren verheiratet und genauso lange dieser Wohnung verhaftet. Die eigentliche Auseinandersetzung soll an anderer Stelle stattfinden. Benno, Felix' Kommilitone und Kriegskamerad, hat seine Gattin Marion abgeschoben. Nun möchte er seinen Freunden seine Neuerwerbung vorstellen, halb so alt wie er und schon auf den ersten Blick reizvoll. Doch Felix und seine Freunde Michael und Achim gönnen Benno diesen Triumph nicht und verabreden sich zum Boykott.
Die letzten Details der Verschwörung
werden geklärt. Fotos: tok
Somit nimmt der  Übungsabend für Ehepaare seinen Lauf. Das Licht geht an und ganz unvermittelt sitzt dort ein Schauspieler. Felix klärt mit seinen Kumpanen die letzten Details der Verschwörung. Das direkt, ohne Umschweife und die Nähe zum Publikum lässt keine Distanz aufkommen.
Doch Dieter Menzel deutet schon hier die eigentliche Motivation der Verweigerung an, die später mit allen Konsequenzen intensiv herausgearbeitet wird. Dr. Felix Förster will nicht die Plattform für die Selbstinszenierung seines Freundes abgegeben. Die Minderwertigkeitskomplexe des Studienrats und Lehrers für Erdkunde und Geschichte lassen dies nicht zu.  Immer wieder deklariert Menzel ins Telefon, dass man Benno diesen Triumph nicht gönnen wolle. Walser hat immer wieder männliches Balzverhalten thematisiert, etwa in "Ein fliehendes Pferd", seiner erfolgsreichsten Novellen. In "Die Zimmerschlacht" ist dieses Balzverhalten und dessen Sublimation ein Kriegsgrund. Der Krieg der Geschlechter ist vor allem erst eine Auseinandersetzung unter Männern.
Wer hier unterliegt, schleppt jahrelang Komplexe mit sich umher, die sich bei solche einer Gelegenheit entladen. Der Schwache sieht seine Chance zur Rache gekommen und wird von Allmachtsgefühlen duchflutet. Dies verdeutlicht Dieter Menzel in der Rolle des Felix Förster eindeutig, das lebt er für eine Stunde 45 Minuten.
Doch seine Frau will nicht mitmachen bei diesen Spiel. Kritina muss erst überredet werden, den Abend zuhause in eben diesem Zimmer zu verbringen. Es ist eine Mischung aus Trotz, Unverständnis und Vorahnung, die sie an dem Vorhaben zweifeln lässt.Und es ist die schnelle Erkenntnis der wahren Gründe. Es geht ihrem Gatten nicht um die Solidarität mit der abgeschobenen Marion. Es geht einzig um seine Komplexe. Und es geht darum, dass die Verhöhung von Bennos neuer Lebensgefährtin auch ein Herabsetzung der eigenen Gattin verbunden ist. Diesen Wahrheitsgewinn verkörpert Petra Döring eindeutig und sie spricht es deutlich aus: "Felix, du bist ein Nichts".
Die sexuelle Befreiung auf dem Flokati scheitert.
Trotz dieser Hypotheken lässt sich Kristina auf das Experiment eines Abends zu zweit ein. Es folgt ein Auf und Ab durch die Geschichte eines Ehepaares, das eigentlich nicht so recht weiß, warum es zusammenlebt. Der Versuch der Befreiung scheitert, der Rahmen, der gesprengt werden soll,bleibt stabil, weil immer einem Teil der Mut zu letzten Schritt fehlt. Deswegen landet Felix beim Sprung vom Sofa allein auf dem Bauch, während seine Frau dem guten Möbelstück verhaftet. Deswegen wird der Versuch, die sexuelle Befreiung auf dem Flokati zu vollziehen, zur erneuten Frustration.  Auch die Methode, sich das Leben schön zu reden, indem der Partner zum Helden stilisiert wird, taugt nichts. Felix Förster ist nun einfach kein erprobter Kämpfer sondern beim Militär nur der Wettermann gewesen.
Die Zimmerschlacht ist ein Kammerspiel. Direkt, intensiv und distanzlos scheint es für das hoftheater gemacht. Aber es ist auch ein Wagnis, das aufgeht. Petra Döring und Dieter Menzel spiegeln einen großen Teil des Publikums wieder und gehen damit in eine Ersatzfunktion. "Wie viel Felix, wie viel Kristina steckt in mir?" hängt als Frage im Raum.
Regisseur Jürgen Kramer hat "Die Zimmerschlacht" in die Gegenwart geholt. Mit der Choreographie von Danielle Dutombé wurde aus der sinnreichen aber spannungsarmen Vorlage ein Zwei-Personen-Stück nicht nur für den Kopf. Aber trotz aller Adaptionen bleibt Kramer der sperrigen Sprachakrobatik der frühen 60-er Jahre verhaftet. Ein kleines Facelifting würde die Rezeption erleichtern.


Der Spielplan im hoftheater

Das Stück

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