Dienstag, 14. Januar 2014

Die Bilanz des Ungeheuerlichen

Baranowski legt neue Ergebnisse zur Wiederaufrüstung in den 30 Jahren vor

Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands, dieses Buch hat das Zeug zum Standardwerk. Nach jahrelangen Recherchen veröffentlicht  Frank Baranowski seine Ergebnisse zur Geschichte der Rüstungsproduktion im Braunschweiger Land, in Südhannover und in Nordthüringen erstmals im Rockstuhl-Verlag. Es ist eine nüchterne Bilanz des bisher nicht gedachten und sie bringt drei wichtige Erkenntnisse.

Der Autor. Foto: red
Zum einen war die Wiederbewaffnung des Deutschen Reichs von langer Hand vorbereitet. Die Nationalsozialisten mussten 1933 nur dort anknüpft, wo die Wehrmacht der Weimarer Republik stehen geblieben war. Diese hatte schon seit 1926 die Bestimmungen des Versailler Vertrags umgangen, Forschungsstellen eingerichtet, Prototypen gebaut und getestet. Dies war die Grundlage für die Hochrüstung der Wehrmacht nach 1933 und die Schaffung einer Rüstungsindustrie, die in der Vertikalen und der Horizontalen bis ins Detail durchgeplant war. Dies belegt Baranowski anhand vieler Quellen und vor allem Zeugnisse, denn zeugnisstark ist dieses Werk allemal. Hinter der "Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands" ist vor allem das Ergebnis tiefer Quellenarbeit.  Damit dürften die letzten Reste vom Irrglauben der unschuldigen Wehrmacht beseitigt sein.
Baranowski ruft noch eine Gewissheit in Erinnerung: Südhannover und das Braunschweiger Land haben von den Rüstungsplänen der Nationalsozialisten im besonderen Maße profitiert. Hier im Inneren des Reichs entstand in einer ländlich geprägten Region ein vielschichtiges Netzwerk von Betrieben, das bei der Aufrüstung des Deutschen Reiches eine wichtige Rolle spielte. Ohne diese Netzwerke wäre die Rüstungsexplosion nach 1933 nicht möglich gewesen und somit wäre auch der Kreig von 1939 nicht möglich gewesen. Wehrmacht und später Nationalsozialisten fanden willige Gehilfen in der südniedersächsischen Produktion und der kurze Überblick der Gewinnler nimmt mehr als  20 Buchseiten ein. Damit zieht sich ein Faden und eine Beweisstrang durch den ersten Teil des Buches.
Weil Frank Baranowski in seinen ersten Bücher der Erforschung Südniedersachsen einen breiten Raum gegeben hat,konzentriert es sich nun auf Nordthüringen. Die Aufrüstung geschah dort unter anderen Vorzeichen und erst ab 1943 nach den Flächenbombardements der Allierten. Im hohen Tempo wurde die Rüstungsproduktion unter Tage verlegt. Dazu boten sich die Kalischächte und Karsthöhlen im Südharz und im Kyffhäuser an. Der Vergleich der beiden so dicht beieinander liegenden aber doch unterschiedlichen Regionen, macht nicht nur die Rüstungsproduktion unter verschiedenen Vorzeichen deutlich. Er zeigt auch, dass das NS-Regime unter schwersten Bedingungen bis zum bitteren Ende alle Ressourcen mobilisieren konnte, unter unzähligen Menschenopfern. Denn bei der Rüstungsproduktion muss man die Menschenvernichtung schon ab Werk immer im Hinterkopf haben. Baranowski erinnert immer weider an diese Opfer.
Rüstungsarbeit war vor allem Zwangsarbeit,
hier bei Heber in Osterode. Foto: Archiv
Mit nüchternen Zahlen, detailgetreu und verknüpfend zeigt Baranowski den Prozess am Beispiel von Mittelbau-Dora und seinen Nebenwerken mit allen KZ-Außenstellen. Die nüchternen Zahlen und das recihaltige Bildmaterial lassen das Ausmaß des Ungeheuerlichen nur erahnen. Denn Rüstungsproduktion im Dritten Reich war durch Zwangsarbeit bestimmt.Während der Autor in früheren Werken die Zeitzeugen zu Worte kommen ließ, reichem ihm hier die Zahlen allein die Zahlen, um das Unrecht vorstellbar zu machen. Ob es begreifbar ist, das wird wohl nie entschieden werden. Das ist die Stärke dieses Buch. Es bleibt nüchtern und faktenorientiert. Dies gibt den Lesern, die Möglichkeit, einen eigenen Zugang zum eigentlich Unzugänglichen zu finden
Nach 25 Jahren Beschäftigung mit dem Thema ist dieses Buch wohl als Zwischenfazit zu sehen, nicht als Abschlussbericht. Denn Frank Baranowski sieht immer noch Forschungsbedarf zu einem Thema. Das Werk "Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands" ist somit eher ein neuer Ausgagnspunkt.

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