Montag, 26. August 2013

Aus einer anderen Welt, von einem anderen Stern

Pepe Romero begeistert im Kloster Walkenried

Pepe Romero gilt als einer der besten, wenn nicht gar als der beste Gitarrist im klassischen Fach auf dieser Welt. Also trägt das Publikum einen ordentlichen Packen an Erwartungen mit in den Konzertsaal. Umso schöner ist es, wenn diese Erwartungen erfüllt werden. So geschehen beim Kreuzgang-Konzert am 25. August in Walkenried.
Eine Bühne, ein Hocker und eine Gitarre, mehr braucht Pepe Romero, um sein Publikum in den Bann zu schlagen. Die Musik steht eindeutig im Vordergrund. Dies ist ein Abend, der sich auf den Gehalt der Musik konzentriert, nicht auf deren Präsentation. Verstärker lehnt der Meister ab, er dringt auch so zu seinem Publikum durch. Schließlich gilt Romeros Anschlag als besonders kraftvoll.
Romero ist ganz in die Musik versunken. Foto: tok
Doch an diesem Abend ist es ein Blick auf das zweite Stück. Überschrieben ist des Programm mit "Die Seele Andalusiens". Wer nun Flamenco erwartet, muss seine Hoffnungen fahren lassen. Die "Fantasia XVI" des Renaissance-Komponisten Luys Milan zeigt ehr die romantische Seite und sie zeigt das arabische Erbe in Spaniens Süden. Dies zieht sich durch den gesamten Abend. Auch die "Danzas espanolas" von Gaspar Sanz interpretiert Pepe Romero eher zurückhaltend.
Doch in den Variationen über ein  Thema aus Mozarts Zauberflöte läßt Romero zu ersten Mal erahnen, warum ihn manche vergöttern, in andere Sphären heben wollen.
Erst schleichen sich die Töne an, ganz vorsichtig die Bühne herunter, und kaum liegen sie vor dem Publikum vor dne Füßen, da fangen sie an zu hüpfen, dann tanzen sie zwischen den Stühlen und schon löst sich jeder Ton mit dem Blitzen eines Brillanten auf, um Platz zu machen für den nächsten.
Das ist es, was den Ruhm von Pepe Romero aus, diese einzigartige Spiel, das das Produkt eines lebenslangen Lernens, einer Sehnsucht nach Perfektion ist, die aber nie angestrengt wirkt, sondern leicht locker, luft, sonnig. Schnell spielen können viele, einige schaffen auch den fehlerfreien Wechsel von schnellen Lauf zu langsamer Melodie, von kräftigen Akkorden zu feinen Linien. Aber dieses spielerische Vermögen macht Romeros Ruf aus, diese einmalige Art, die Saiten zu zupfen oder zu schlagen, wie es die Situation erfordert. Als sich aus diesen Tönen die Melodie schält, da huscht ein breites Lächeln durch das Publikum.
Dieses Konzert braucht keine Worte. Die Musik ist das Kommunikationsmittel über die Grenzen von Länder, Kulturen und Jahrhunderten hinweg. Ist es das, was Wondratschek als reine Musik bezeichnen würde? Jedenfalls huldigt die Gefolgschaft schon zur Pause ihrem Meister. doch der bleibt bescheiden und lächelt schüchtern.
Romero scheint sich warm gespielt zu haben. Die zweite Hälfte wird lebhafter und rhythmusbetont. Das Programm kommt dem näher, was sich der Mitteleuropäer unter der Seele Andalusiens vorstellt. Die Sonatina von Federico Torroba läßt eine Kopfkino beginnen, das in farbenfrohen Bildern von einem sonnigen Nachmittag im schattigen Garten der Alhambra träumen lässt. Das Spiel von Licht und Schatten, Klänge steigen auf wie Schmetterlinge, musikalische Versatzstücke machen Aha-Erlebnisse. Man stellt sich die Frage, wie viele Töne eigentlich in solch eine einzelne Gitarre passen. Sind die Melodien schon da oder erfindet Romero sie erst aus der Symbiose mit seinem Instrument? Immerhin spielt der Meister nicht vom Blatt, all diese Musik scheint in ihm drin zu sein. Und nun zeigt er auch all die unterschiedlichen Techniken, mit denen man aus etwas Holz, Metall und Kunststoff soviel Wohlklang herauslocken kann. Nun werden die Saiten nicht nur gezupft oder geschlagen sondern auch auf den Corpus getrommelt.
Vor der ersten Zugabe spricht dann Romero zwei Sätze zu seinem Publikum und er bedankt sich für dessen Geduld und Aufmerksamkeit. Nicht nur der Musiker Pepe Romero ist bewunderswert, auch der Mensch Pepe Romero ist bewundernswert.Hofentlich gibt es ein Wiedersehen im nächsten jahr zum 70. Geburtstag.


Das Interview beim Harzer Fragensteller

Die offizielle Website

Die Kreuzgang-Konzerte

Sonntag, 25. August 2013

Ausgeträumt

Der Club Göttingen spielt den Sommernachtstraum am JT

Mit Shakespeare kann eine Laiengruppe gnadenlos scheitern oder glänzend übrraschen. Mit dem Sommernachtstraum ist dem Club Göttingen am Jungen Theater eine Inszenierung mit einem besonderen Reiz und einer ordentlichen Portion Selbstironie gelungen.
Herzog Theseus hat die Amazonen besiegt und will nun deren Anführerin Hippolyta heiraten, die will aber nicht. Demetrius soll die Hermia heiraten, die will aber lieber den Lysander ehelichen, während Helena hinter Demetrius her, der ja aber die Hermia will, die aber nun mit Lysander flieht. Beide müssen in dem Wald übernachten, im dem sich Oberon und Titannia, Herrscher der Feen und Elfen, durch ihren ehelichen Alltag angiften. Also will Oberon seiner Gattin eins auswischen und ruft Puck zu sich, um das zänkische Weib und die widerspenstigen Menschen zu verzaubern. Und dann sind da noch dieHandwerker, die zu Ehren der fürstlichen Hochzeit ein Theaterstück einstudieren wollen. Das klingt sehr deutlich nach einen "Tür auf - Auftritt - Abgang - Tür zu"-Stück und das ist ungefähr die Ausgangslage in Shakespeares erfolgreichster Komödie.
Titannia und ihre Feen überlegen, wie sie Oberon
aus dem Weg gehen können. Fotos: Eulig/JT
Die Inszenierung des Club Göttingen ist wohltuend aufgeräumt. Das Bühnenbild ist auf das wesentliche reduziert und der Auftakt mit Händels triumphaler Feuerwerksmusik ist ein  Kontrast mit Augenzwinkern. Schließlioch schreitet gleich der siegreiche Theseus einher. Als Triumphator über die Amazonen kann er auch über das Schicksal der Menschen gebieten, dies glaubt zumindest Winfried Binder in der Rolle des obersten Athener. Nur Hermia ist entschlossen, sich dem Diktat des Herrschers zu entziehen. Denn des Menschens Willen ist sein Himmelreich. Dies macht Katharina Arand mit fester Stimme und erstaunlicher Präsenz deutlich und dies hält sie auch bis zum Ende durch. Im Gegensatz dazu leidet Micky Bartl als Helena von der ersten bis zur vorletzten Minuten und die Zuschauer mit ihr.
Da bedarf es schon der Handwerkertruppe, um deutlich zu machen, dass Shakespeare seinen Sommernachtstraum als Komödie angelegt. Unter den Laiendarstellern sticht Gudrun Voss als Zettel. Da steckt schon eine Menge Selbstironie drin, wie sie den überambitionierten Amateur gibt, der im Bemühen das Drama neu zu erfinden, sich überhebt und scheitern muss. Dieser Clown ist eher ein Grock als ein Till Eulenspiegel.
Puck ist dem Oberon gern zu Diensten, sonst ist
der nicht mehr lange Chef im Wald.
Dieser Titannia ist Oberon bestimmt nicht gewachsen. Deshalb muss der König der Elfen im alltäglichen  Ehekrieg zu Hinterlist und zum Liebestrank. Sonst ist er den Chefposten im Wald bald los, angesichts der geballten Feenpower und der weiblicher Verweigerungshaltung.
Die zu brechen, dies ist die Aufgaben von Puck. Doch der Elf ist kein Werkzeug, unfreiwillig steuert er fortan das Geschehen. Nicht des Menschen Willen oder des Oberons List regiert das Geschehen, sondern die Mißgeschicke des Puck. Seit den Entstehungszeiten ist der Sommernachtstraum ein Stück, dass eben um den Unruhestifter geschrieben wurde. Der Club Göttingen bleibt dieser Tradition treu. Angelpunkt der Inszenierung ist eindeutig Inga Kahlcke in der Rolle des Puck, den sie irgendwo zwischen Pumuckl und Clown ansiedelt. Hektisch hin und her und rauf und runter, aber eben auch mal still und um Besinnung im menschlichen Drunter und Drüber. Feixend und omnipräsent, überfordert und an den Rand gedrängt ist sie jedes Mal das Zentrum des Geschehens. Nur als sie den Sprung von den Rollator von Kerstin Schulz wagt, verschieben sich die Schwerpunkte für einen zauberhaften Augenblick. Im übrigen muss am für die Besetzung der Fee Bohnenblüte dem Ensemble gratulieren.
Das beste Solo bleibt Gudrun Voss vorbehalten. Verzaubert, benutzt und entzaubert bleibt Zettel verlassen im Wald zurück. Nach dieser intensiven Moment  könnte das Stück eigentlich zu Ende sein, denn der Worte sind genug gewechselt. Mit so viel Mut hätte der Club Göttingen eine ganz eigene Inszenierung geschaffen. Nun wirkt das Ende des Sommernachtstraum ein wenig wie drangeklebt.

Der Club Göttingen

Der Spielplan

Donnerstag, 15. August 2013

Grube Büchenberg: Ein Schatz für das Bücherregal

Macht eine Ausstellung draus!


In der theater- und konzertfreien Zeit kümmere ich mich mal um ein anderes Stück Harzer Kultur.


Kann man die ganze Welt in einem Satz erklären? Wohl kaum. Kann man den Harzer Bergbau in einem Buch erklären. Wolfgang Schilling und sechzehn Co-Autoren haben den Versuch unternommen, zumindest das Revier am Büchenberg und seine Schächte in all ihren Facetten zu erklären.
Diesen Schatz zu heben, das verlangt
einige Zeit. Fotos: Westermann
Das Bergwerk bei Elbingerode war die größte Eisenerzgrube im Harz. Nach einer langen und wechselvollen Geschichte wurde der Betrieb 1969/70 quasi über Nacht eingestellt. Geblieben ist ein Schaubergwerk, das heute nicht einmal 10 Prozent der ehemalige Grube erfasst. Begonnen hat die Montangeschichte im Büchenbergrevier irgendwann zwischen dem späten 8. und dem mittleren 10. Jahrhundert. In diesem mehr als tausend Jahren ist jede Menge Material zusammengekommen und haben sich viele Seitenstränge aufgetan. Diese alle abzuarbeiten, das war ganz offensichtlich der Ehrgeiz der Autoren.So muss Wolfgang Schilling im Vorwort eingestehen, das die Fülle kaum überschaubar war. Herausgekommen ein Werk, dass auf 308 Seiten die kleine eigene Welt im Büchenbergrevier in allen Aspekten beleuchtet. Liebevoll gestaltet und hochwertig produziert ist das  Schwergewicht ein papierner Schatz, der bibliophilen Ansprüchen Genüge tut. Dieses Schwergewicht in den Händen zu halten und zu blättern, ist schon Freude pur.
Doch eine weitere Frage ist: Wer ist eigentlich Adressat?An wem richtet sich das Buch? In zehn Kapiteln, angefangen mit geologischen Fragen und hin bis zur künstlerischen Aufarbeitung der Montanhistorie, bleibt sicherlich kein Aspekt unbedacht. Aber das ist auch die Gefahr und an einigen Stellen fragt sich der Leser: “Hätte man daraus nicht 2 oder gar drei Bücher machen sollen?”
Wie es nun einmal so ist bei einer Anthologie. Ein Autor geht in die Breite, ein anderer bringt es pointiert und machner scheitert an den eigenen Ansprüchen. Allen ist gemeinsam, dass sie sich einer Sprache bedienen, die die Fachausdrücke vergangener Montanzeiten aufgreift und im Fachjargon verbleibt. Der Leser, der sonst der Oberfläche verhaftet ist, muss sich in diese Welt erst hineindenken und wieder muss die Frage nach dem Adressaten gestellt werden.
Sicherlich mag es aus wissenschaftlicher Sicht richtig sein, anfangs geologische Aspekte und die Entstehung des Eisenerzes im Mittelharz zu erläutern. Doch eben für Laien ist dies schon ein sprödes Gestein, das verdaut werden muss. Es bleibt natürlich jeden überlassen, dieses oder auch andere Kapitel zu überschlagen. Vielleicht hätte man die Zusammenfassung von Seite 302 als Prolog an den Anfang stellen oder noch eine Erläuterung für Nicht-Ortskundige geben sollen.
Aber “Grube Büchenberg - Eiserner Schatz im Harz” kann auch als Kompendium gelesen werden. Natürlich findet jeder hier seine Themen aus der Sagenwelt des Harzer Bergbaus. Wer nach dem Kapitel “Wasserwirtschaft im Bergbau” den ambivalenten Umgang mit nassen Element immer noch nicht verstanden hat, der wird die Harzer Wasserwirtschaft wohl nie verstehen. Auf acht Seiten komprimiert erläutert Dr. Dieter Mucke zahlenreich und fundiert jenes schwierige Verhältnis der Bergleute zum Wasser, den Fluch und seinen Nutzen.
Manchmal kommt man aus dem
Staunen nicht mehr heraus.
Wer als Laie die Theorie hinter sich gebracht oder übersprungen hat, dem erwartet ein fesselndes Buch, das vor allem mit seinen faszinierenden Bildern überzeugt. Annette Westermann und Wolfgang Schilling zeigen eine verborgene Welt, in die man eintauchen möchte, eine Welt, deren Farbenpracht und Formenvielfalt nur im unterirdischen Reservat überleben konnte und deren Reproduktion nur mit höchstem Qualitätsbewusstsein möglich ist. Der Bücherfreund freut sich. Allein deswegen lohnt sich die Anschaffung, aber die Forderung lautet: “Das muss jeder sehen, macht eine Fotoausstellung daraus!”
Das Buch bietet nicht nur Historie, sondern auch Zeitgeschichte. Wie in anderen Harzer Revieren war auch am Büchenberg in den 20er Jahren Schluss, doch die Rüstungspläne der Nazis sorgten für Renaissance und Scheinblüte. Jetzt hielt der moderne Bergbau in Elbingerode Einzug und nach mehreren Aufschlüssen erreichten die SChächte am Büchenberg eine bis dato unbekannte Größe. Wie fest das Elbingeroder Revier in die Kriegspläne desNS-Regimes eingebunden war, das zeichnen Strutz, Knolle und Schilling konzentriert auf 21 Seiten nach und sie verdeutlichen die Rolle der Zwangsarbeiter und der Kriegsgefangenen innerhalb dieses Maschinerie nochmals.
Günther Müller und Gerhard Rösicke ist eine materialreiche und umfassende Darstellung der Zeit zwischen 1945 und 1971 gelungen. Doch leider ist sie eher technikzentriert und lehrbuchhaft, selbst die Brigade und der Aufbau eines Kombinats werden erläutert. Doch Zeitzeugen kommen nicht zu Wort und so wird die Chance einer lebendigen Geschichtsschreibung verpasst.
Dieses Buch ist eher eine Liebe auf den zweiten Blick und je länger man blättert, dest tiefer wird die Zuneigung. Bildgewaltig kommt Kapitel sechs daher, die Grube Büchenberg als verlassene Industriekultur. Wolfgang Schilling gelingt die Darstellung einer befremdlichen und faszinierenden Welt mit wenigen Worten und vielen Fotos, in die man eintauchen möchte. Dies ist einmalig und dies ist zweifellos das Kernstück des Buches. Deshalb muss der Appell erneuert werden: Macht eine Ausstellung daraus.
Eine ähnliche Pionierarbeit leisten Knolle, Westermann, Ohlendorf und Meyer mit dem Abschnitt über die Natur am Büchenberg. Man kommt aus dem Staunen über die Vielfalt im Öko-System “Aufgelassenes Bergwerk” nicht heraus. Eine ganz eigene Flora und Fauna hat die Gruben und Schächte zurückerobert. Auch in diesem Kapitel scheint manches Bild das enge Format des Buches zu sprengen.
Trotz mancher Längen ist es den Autoren gelungen, mit “Grube Büchenberg” einen Schatz zu heben. In seiner Komplexität ist dieses Buch sicherlich einmalig und beispielhaft für die Arbeit  an der Montageschichte Region. Ob man den Harzer Bergbau in einem Buch erklären kann? Einen Versuch ist es allemal wert.

Die Website dazu.


Bibliographische Informationen:

Wolfgang Schilling (Hrsg.); Grube Büchenberg - Eiserner Schatz im Harz, Blankenburg 2013, ISBN 978-3-935971-65-2