Mittwoch, 12. Juni 2013

Einfach zauberhaft

Viele Elfen in "Was ihr wollt"


Eigentlich ist ja nur eine Komödie und sie ist von Shakespeare. Das diese alle nach einem ähnlichen Schema verlaufen, ist nicht nur dem Fachmann klar. Doch DT-Intendant Mark Zurmühle hat aus dem 400 Jahre alten Verwirrspiel um Identitäten ein Märchen gemacht, dessen erster und letzter Eindruck "einfach nur zauberhaft" ist.
Aus dem Dunkel des Bühnenhauses tauchen zwei Gestalten auf. Sehr pointiert gesetzt zwingt das Licht zur Konzentration auf diese beiden. Sebastian trägt seine bewusstlose Schwester Viola. Beide haben ein Schiffsunglück überlebt und wurden an die Gestade von Illyrien gespült. Doch bevor Viola die Augen aufschlägt, muss der Bruder fliehen. In dem Glauben, dass Sebastian tot ist, heuert sie als Cesario verkleidet beim Fürsten Orsino an, der schwer in Olivia verliebt, die aber nichts von ihm wissen will, sondern eher von Cesario, der wiederum sein Herz an Orsino verloren hat.
Olivia (mitte) hat sich in Cesario verliebt, doch
der Narr (links) behält alles in Auge. Fotos: DT 
Einzig der Narr behält den Überblick. Cool, lakonisch und mit einen Hauch Bänkelsänger gespielt von Jan Exner, der auch den entspannten Soundtrack zum hektischen Treiben geschrieben, den musikalischen Kontrapunkt liefert. Also, wie gesagt, aus heutiger Sicht könnte man Shakespeares Komödien auch als einen einzigen großen Schwank spielen.
Humor ist ein schweres Fach, denn Humor ist immer zeitgebunden, einem kulturellen Kontext verpflichtet. Zu diesem Kontext gehört auch, dass im frühen 17. Jahrhundert alle Rollen von Männer gespielt wurden. Was also damals witzig war, ein Mann spielt ein Frau, die einen Mann speilt, kann heute so nicht mehr funktionieren. Deswegen hat Mark Zurmühle "Twelfth Night, or What You Will" als ein Märchen über die eigene Identität in androgynen Zeiten gemacht.
Paula Hans in der dreifach Rolle als Viola, Cesario und Sebastian verkörpert eben diese Ungewissheit über sich selbst: immer ein wenig gedämpft, zögerlich und zurückhaltend selbst in den Szenen, die andere laut spielen würden, und somit mehr Elfe als Mensch. Auch Marie-Kristien Heger ist mehr eine unschlüssige Elfe, ein ätherisches Wesen als eine resolute Nein-Sager.
Sir Toby Belch oder Toby von Rülps ist der Gegenentwurf dazu. Truksüchtig, laut und vulgär bis über die Schmerzgrenze verkörpert von Alois Reinhardt ist er der einzige, der in seinen Dauerrausch keine Frage an seine eigene Person zulässt. Die Mitte zwischen diesen Polen markiert Ronny Thalmeyer als Malvolio, ein wenig der gesunde Menschenverstand zwischen den Vergnügungssüchtigen und den Depressiven wird er doch Opfer seiner Eitelkeit, als diese erst einmal geweckt ist. Man weiß nicht, ob man Schadenfreude oder Mitleid angesichts seines Scheiterns empfinden soll.
Jeder bleibt Robinson auf seinem Eiland.
Zauberhaft ist auch das Bühnenbild und die Beleuchtung. Eleonore Bircher ist hier der ganz große Wurf gelungen, der die Aussage der Inszenierung auf elfenhafte Art unterstützt, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Alles ist im Fluss und die Figuren müssen sich auf Insel retten. Die Bühne steht unter Wasser und das Licht sogt dafür, dass sich die Figuren darin rermanent spiegeln und auf sich selbst zurückgeworfen werden. Iregndwie bleibt ein jeder Robinson auf seinem kleinen Eiland,bis zum Schluss, der Fragen offen lässt. So kann sich jeder die endgültigen Antworten selbst geben.

Letzte Vorstellung in Deutschen Theater Göttingen am 16. Juni. Karten über die Website des DT.

Das Stück in der Eigenbeschreibung, diesmal mit Trailer.


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